TOUR AUF HISTORISCHER STRECKE – Radfahren und Wandern auf dem Parenzana-Wegl
In ganz Europa wurden stillgelegte Eisenbahnstrecken zu beliebten Rad- und Wanderwegen umfunktioniert. Parenzana ist Istriens „Schienenweg“, der dem Verlauf einer ehemaligen Eisenbahnlinie folgt. Über eine landschaftlich reizvolle Wanderung oder Fahrradtour hinaus bietet der Weg eine Reise in die Vergangenheit.
Eine Reise in die Vergangenheit
Die Parenzana ist eine stillgelegte Eisenbahnstrecke, die als Freizeitweg wiederbelebt wurde. Als ich mich aufmachte, der 123 km langen Strecke zu folgen, erwartete mich nicht nur eine kurvenreiche Fahrt. Mit jedem Meter, den ich zurücklegte, tauchte ich auch in eine Geschichtsepoche Istriens ein. Die Arbeiten an der Parenzana-Eisenbahn begannen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Halbinsel Istrien Teil des Habsburger Kaiserreichs war. Am 1. April 1902 brach die Dampflokomotive mit mehr als einem Dutzend Waggons die Hafenstadt Triest zu ihrer Jungfernfahrt auf. Ihr Ziel war die Küstenstadt Poreč, italienisch Parenzo, nach der die Bahn benannt wurde.
Die Eröffnung der Parenzana-Eisenbahn wurde als Zeichen des Fortschritts gefeiert. Sie verband 33 Städte in ganz Istrien zu einer Zeit, als es nur wenige moderne Straßen gab. Etwas mehr als 100 Jahre später wurde die Strecke in einen Freizeitweg für Radfahrer und Wanderer umgewandelt. 2008 eröffnet, führt der Weg durch den malerischsten Teil der Halbinsel, vorbei an idyllischen Landschaften mit sanften Hügeln, fruchtbaren Feldern und einigen der hübschesten Bergstädte.
Die erste Etappe der Parenzana-Tour
Meine Reise begann am Fluss Ospo, am Rande von Muggia in Italien. Obwohl der Zug in Triest abfuhr, beginnt hier der ausgeschilderte Weg der ehemaligen Eisenbahn. Während ich am Fluss entlang radelte, dachte ich darüber nach, dass sich zwar die Geografie Istriens im letzten Jahrhundert nicht verändert hat, wohl aber seine Grenzen. Heute ist die Halbinsel nicht mehr Teil eines Staates, sondern von drei Ländern: Italien, Slowenien und Kroatien.
Bald überquerte ich die Grenze nach Slowenien, die durch ein Schild am Weg gekennzeichnet ist. Der 32 km lange Abschnitt durch Slowenien ist größtenteils asphaltiert und daher leicht zu fahren. Ich hielt auf einen Kaffee in der Altstadt von Koper an, schaute mir die Original-Lokomotive der Parenzana an, die außerhalb von Izola ausgestellt ist, und besuchte einen Wochenmarkt.
Das Museum für Salzgewinnung empfängt hier Besucher, die mehr über die Geschichte dieses wichtigen Gewerbes erfahren wollen. Ein steiler Anstieg und 78 weitere Kilometer lagen vor mir. Der Asphalt ging bald in Schotter über, bis ich schließlich die auf einem Hügel gelegene Stadt Buje erreichte. Hier beendete ich die erste Etappe meiner Parenzana-Tour und ließ mich mit dem Lieferwagen meines Onkels nach Hause fahren. Doch schon bald kehrte ich an dieselbe Stelle zurück, diesmal ohne mein Stadtrad, das für die felsigen Wege nicht geeignet war. Ich setzte meine Reise zu Fuß fort und war darüber froh. So hatte ich mehr Zeit, den landschaftlich reizvollsten Abschnitt des Parenzana-Trails zu genießen.
Hügelstädte, Feste und Parenzana Museum
Auf seinem höchsten Punkt in 293 Metern Höhe liegt das charmante Grožnjan. Wie die ehemalige Eisenbahnstrecke wurden auch die Steinhäuser der Stadt restauriert und umgestaltet. Ich hielt in diesem Künstlerdorf inne und stöberte in den farbenfrohen Galerien und Boutiquen, bevor ich durch einen dunklen Tunnel zum Weg zurückkehrte. Olivenhainen tauchten auf und bald erreichte ich einen Rastplatz, von dem aus sich mir eine spektakuläre Aussicht auf die sanften Hügel Istriens und das darunter liegende Mirna-Tal bot. In der Ferne waren die Bergstädte Motovun und Vižinada zu sehen, weitere Stationen des Weges, die weit entfernt zu sein schienen. Als nächstes auf meiner Wanderung kam ich in der Nähe von Kostanjica an einem Schild vorbei, das den Weg zum Olivenhain und zur Probierstube von B10 Istrian Fusion wies. Nahe der Stelle, an der früher die Oliven auf die Züge verladen wurden, können Wanderer anhalten und das hochwertige Olivenöl probieren, das in Istrien seit Jahrhunderten hergestellt wird.
Der Weg wurde immer kurvenreicher und führte mich über Brücken und Viadukte. Die Eisenbahn musste über 600 Kurven überwinden – der Grund dafür, dass die Parenzana als Schmalspurbahn gebaut wurde, um der hügeligen Topografie Istriens und den engen Kurven Rechnung zu tragen. Als Nächstes stieß ich auf den seit langem stillgelegten Bahnhof des kleinen, reizvollen Završje. Heute leben in dieser kleinen Stadt nur noch eine Handvoll Menschen, aber früher war sie ein geschäftiges Marktzentrum, das von der Eisenbahn abhängig war. Die Parenzana war ebenso die Lebensader von Oprtalj, einer anderen kleinen, aber hübschen Stadt, die den Umweg von ihrem ehemaligen Bahnhof aus wert ist. Wieder auf dem Weg, ging es schließlich durch dichte Baumtunnel abwärts bis nach Livade, wo jedes Jahr im Herbst ein Trüffelfest zu Ehren dieser lokalen Delikatesse stattfindet.
Die ‚Weinbahn‘ Parenzana
Eine weitere Attraktion ist das Parenzana Museum, in dem die Besucher anhand von Archivfotos viel über die Vergangenheit der historischen Eisenbahn erfahren können. Die Parenzana war auch als „Weinbahn“ bekannt, ein Vermächtnis, das nicht verloren gegangen ist. Am Fuße des malerischen Motovun schlenderte ich an ausgedehnten Weinbergen und den Weingütern Roxanich und Fakin vorbei. Sie liegen nur wenige Schritte vom Weg entfernt und sind ein verlockender Zwischenstopp für Liebhaber hochwertiger Weine.
Die Parenzana-Eisenbahn lebt fort
Von hier aus führt mich der Weg weiter in westlicher Richtung zum Küstenort Poreč, wo er an dessen stillgelegtem Bahnhof endet. Als der Zug am 31. August 1935 zum letzten Mal den Bahnhof verließ, hatte der Straßenverkehr die Eisenbahn abgelöst. Außerdem war ein Weltkrieg zu Ende gegangen, das Kaiserreich war aufgelöst und Istrien an Italien übergegangen. Unter Mussolini wurden die Schienen der Parenzana demontiert und auf ein Schiff nach Abessinien verladen. Die Überreste der Parenzana fanden schließlich beim Kentern des Schiffes ihre letzte Ruhestätte auf dem Meeresgrund. Heute, mehr als ein Jahrhundert später, lebt die Parenzana-Eisenbahn in neuer Form fort.
Author of the text: Isabel Putinja for SUBSTANCE by Valamar